10.05.2022

Unterhaltet euch mehr übers Internet

Kolumne im DUP UNTERNEHMER-Magazin

Was ich im Bundestagswahlkampf vermisse? Debatten darüber, wie in Deutschland über Firmen- und Branchengrenzen hinweg digitale Geschäftsmodelle entstehen können.

Heiße Phase im Wahlkampf: Die Kommentatoren fragen sich, ob die Flutkatastrophe eher dem Mann in Gummistiefeln oder der Frau für Klimaschutz in die Hände spielt. Derweil liegt in vielen Unternehmen nach wie vor der Fokus auf den Auswirkungen der Coronapandemie. Die Wirtschaft fordert von der Politik Planungssicherheit und verlässliche Aussagen zu und Auszahlungen von Förderungen.

Jenseits von Covid-19 klingen die Forderungen alt-bekannt: Laut Deutschem Mittelstands-Bund liegen die Schmerzpunkte der Mittelständler in Bürokratie, Steuerlast, mangelnder digitaler Infrastruktur, Fachkräfte-mangel und Energiekosten. Ich möchte keine dieser Herausforderungen kleinreden, wohl aber eine hinzufügen, der wir mehr Aufmerksamkeit schenken sollten: dem Kundenzugang im globalen Wettbewerb.

Die Coronapandemie hat noch einmal gezeigt, wie Internet-Giganten gestärkt und Monopole gefestigt werden, wenn Konsum online befriedigt wird. Gewonnen haben geschlossene Netzwerke wie Amazon oder WeChat. Gigantische Marktplätze, die auf Bergen von Kreditkartendaten sitzen und darauf vertrauen können, dass ihre Kunden aus Bequemlichkeit auch die nächste Kaufentscheidung mit einem Klick in ihrem Imperium platzieren. Im Wahlkampf wünsche ich mir daher mehr Diskussionen zu fairem Wettbewerb. Wie kann es uns gelingen, Wettbewerbsverfahren in Telekommunikationsmärkten zu beschleunigen? Wie sorgen wir dafür, dass Facebook, Amazon & Co. in Sachen Datenschutz und Kundensicherheit die gleichen Regeln einhalten wie hiesige Unternehmen? Wie nutzen wir Frühwarnsysteme, um übermäßige Marktmacht und Machtmissbrauch zu erkennen und konsequent zu verfolgen? Wie lassen sich Menschen und Unternehmen im Netz eindeutig identifizieren und wer soll große Konzerne verpflichten, diesen Aufwand zu betreiben?

Der Wahlkampf könnte sich mit moderner Datenökonomie befassen, also mit einem klaren Rechtsrahmen mit Zertifizierungen für Transparenz auf digitalen Plattformen. Klingt einfach, aber es scheint kaum vorstellbar, dass ein deutsches Ministerium Google dazu bewegen kann, seinen Suchalgorithmus offenzulegen. Auch die Wählerinnen und Wähler als User sind hier gefragt. Sie müssten sich mehr damit beschäftigen, wie ihre Su- chergebnisse zustande kommen und wo ihre persönlichen Daten im Tausch gegen scheinbar kostenlose Services kommerziell verwendet werden. Wo die Großen uns davonlaufen gilt es nicht nur zu überwachen, sondern auch selbst schneller zu werden. Ein großes Thema im Wahlkampf könnte sein, wie wir politisch den Rahmen schaffen für Experimente, um über Unternehmens- und Branchengrenzen hinweg vernetzte digitale Geschäftsmodelle zu entwickeln.

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